Forum Männer

Startseite » Allgemein » Tagung: Männlichkeiten zwischen Hegemonie und Vielfalt – Welche? Für wen? Wozu?

Tagung: Männlichkeiten zwischen Hegemonie und Vielfalt – Welche? Für wen? Wozu?

Freitag, 26. September 2014 18.00 – 21.00 Uhr – Netzwerktreffen Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse
Samstag, 27. September 2014 9.00 – 17.30 Uhr – Tagung Männlichkeiten zwischen Hegemonie und Vielfalt – Welche? Für wen? Wozu?
Ort: Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstraße 8, 10117  Berlin

Vielfalt von Männlichkeiten

Die Lebensrealität von Männern ist nicht mehr eindimensional. Traditionelle Bilder und Rollenzuschreibungen werden in Frage gestellt. Den karriereorientierten Ernährer in heterosexueller Partnerschaft mit Kindern gibt es weiterhin, er ist aber nicht mehr für alle Männer der Orientierungsrahmen männlicher Identität. Die Tagung “Männlichkeiten zwischen Hegemonie und Vielfalt – Welche? Für wen? Wozu?”, zu der das Forum in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse und das Gunda Werner Institut am 27. September in die Räume der Heinrich-Böll-Stiftung nach Berlin eingeladen hatte, hatte das Ziel, die “Diversität von Männerleben sichtbar und begreifbar zu machen”.

Alexander Bentheim (Dipl. Pädagoge)

Impulse:
Zu Beginn gaben Ilse Lenz, emeritierte Professorin für Geschlechterforschung an der Ruhr-Universität Bochum und Professor Martin Dinges vom Institut für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart einen Einblick in die Historie. In ihren Vorträgen beschrieben sie die Entwicklung von Männlichkeiten seit Beginn des 20. Jahrhunderts.

Lenz skizzierte dabei drei Stufen der Geschlechterordnung: Auf die “neopatriarchale” Phase, in der Männer als “Herren und Krieger der Nation”, als das überlegene Geschlecht betrachtet wurden, folgte eine “differenzbegründete” Ideologie. Diese ging von der Annahme aus, dass Männer und Frauen “anders, aber gleich” seien. Nunmehr, so Lenz, befinden wir uns in einer “flexibilisierten” Ordnung, in der sich Geschlechternormen pluralisieren: So seien Doppelernährer_innen in den Familien ebenso möglich wie ein breites Spektrum sexueller Orientierungen.

Martin Dinges (hier der Impulvortrag_als PDF) setzte einen Schwerpunkt auf die generationellen Unterschiede zwischen den Männern. Die junge “Globalisierungsgeneration” der Jahrgänge ab 1990 praktiziere die Rollenvielfalt und sei selbstverständlich tolerant gegenüber der Homosexualität. In der “hedonistischen Konsummännlichkeit”, die die harte Männlichkeit der Nachkriegszeit abgelöst habe, werde der männliche Körper zur “letzten Wahrheitsressource”. In seiner Beschreibung der erwachsenen Männer bezog sich Dinges auf die Ergebnisse der kirchlichen Männerstudien von Paul Zulehner und Rainer Volz. Diesen zufolge akzeptieren inzwischen selbst “(teil)traditionelle Männer” die weibliche Erwerbstätigkeit, gleichzeitig aber besteht ein erhebliches Gefälle zwischen den Geschlechtern: Frauen sind deutlich moderner eingestellt als Männer. In den gesellschaftlichen Milieus “ganz oben” und “ganz unten” finden sich besonders viele männliche Traditionalisten.

Die anschließende Diskussion drehte sich vor allem um die Widersprüche des Umbruchs in den Geschlechterbeziehungen. So greift die rechtspopulistische Partei AfD (Alternative für Deutschland) die Irritationen über die “Parallelkulturen” auf und macht Stimmung gegen einen angeblichen “Genderismus”. Männerrechtliche Strömungen wollen nicht unbedingt zurück zum Patriarchat, sondern setzen eher auf die alte Differenzordnung. Zum Teil argumentieren sie mit der Denkfigur der Gleichheit, stilisieren dabei aber die Männer zu Opfern im Geschlechterkampf. Homosexualität werde nicht mehr unbedingt komplett abgelehnt, aber dennoch tabuisiert, nach dem Motto: “Man darf von mir aus zu Hause schwul sein, aber man soll bitte nicht in der Schule darüber reden!”

Teilnehmer_innen

Teilnehmer_innen Foto: Alexander Bentheim

In vier Workshops diskutierten die rund 50 Teilnehmer/innen die Themen Sexualität, Partnerschaft und Ökonomie, Beziehungen unter Männern und Sozialisation. Auf einem ausführlich präsentierten Marktplatz stellten sich männerpolitische Organisationen und Initiativen, Forschungseinrichtungen, Verlage, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen vor.
Begleitet wurde die Tagung von der Fotoausstellung “er*Leben – Fotografien des Männlichen” des Hamburger Pädagogen und Jungenarbeiters Alexander Bentheim. Der Mitherausgeber der Männerzeitschrift Switchboard (die sich ebenfalls mit einem Infostand präsentierte) dokumentierte an Wänden und auf Bildschirmen anregende “Prints & Slides aus Deutschland/ England / Frankreich / Polen / USA – 1975 bis 2014″.

Ein zentrales Anliegen des FORUM MÄNNER war, die Bandbreite der bestehenden Beratungs- und Hilfsmöglichkeiten aufzuzeigen, die den unterschiedlichen Lebenssituationen und Lebenszielen von Männern gerecht werden. In der Schlussdiskussion der Tagung wurde deutlich, dass die Vielfalt männlicher Lebensweisen zwar verbal auf mehr öffentliche Akzeptanz stößt, die politische Umsetzung konkreter Angebote etwa durch finanzielle Förderung jedoch nur schleppend vorankommt.

Netzwerk Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse

Die Fotoaussstellung “er*Leben” im Netz:
http://www.times-magazine.de/

 

Ilse Lenz: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten

Martin Dinges: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten

Diskussion Ilse Lenz, Martin Dinges, Klaus Schwerma: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten

 

Bildergalerie

Volker Handke (Forum Männer)

 

Das Programm im Einzelnen:

Freitag, 26. September
FORUM MÄNNER  NETZWERKTREFFEN
18.30    Netzwerktreffen des Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse
für Netzwerkmitglieder und Interessierte
bei Interesse Programm bitte anfragen: vonbargen@boell.de
21.00    Informeller Ausklang

Samstag, 27. September
TAGUNG: Männlichkeiten zwischen  Hegemonie und Vielfalt – Welche? Für wen? Wozu?
8.30      Anmeldung
9.15      Begrüßung
Andreas Goosses, Forum Männer
Henning von Bargen, Gunda-Werner-Institut
9.30      Vorträge und Diskussion:
Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten
Prof. Dr. Ilse Lenz , Ruhr-Universität Bochum; Fakultät für Sozialwissenschaften)
Prof. Dr. Martin Dinges , Institut für Geschichte der Medizin, Robert Bosch Stiftung
In den Vorträgen werden historische Entwicklungen von Männlichkeiten seit Beginn des 20. Jahrhunderts dargelegt. Wie haben sich die Diskurse und Narrative über Männlichkeiten entwickelt/ gewandelt?
11.00    Kaffeepause
11.30    parallele Workshops
Workshop 1:  Sexualität
Gerade beim Thema Sexualität  ist der nachhaltige Einfluss gesellschaftlich vorherrschender Männlichkeitsvorstellungen und -normen allgegenwärtig und schränkt Vielfalt ein. Welche Bedeutung hat Sexualität  für die eigene Identität? Leben Männer die Sexualität, die ihren Vorstellungen entspricht? Welche Tabus wirken? Wie verändert sich die eigene Sicht und Haltung zu Sexualität im Verlauf des Lebens?
P.-Max Röseke, Dipl. Psychologe, Seniorenberater, Berlin
Andreas Goosses, Psychologischer Psychotherapeut, Forum Männer, Berlin
Workshop 2: Partnerschaft und Ökonomie
Der Workshop thematisiert den Einfluss wirtschaftlicher Faktoren auf Paarbeziehungen und die damit verbundenen Lebensentwürfe. Ausgangspunkt der Betrachtungen sind verschiedene Formen der Haushaltsführung, wie z. B. Allein- und Doppelverdienerhaushalt, Teil- und Vollleistungsempfänger_innen. Die Teilnehmenden sind aufgefordert, sich spielerisch-experimentell mit geschlechtstypischen Rollenmustern und gesellschaftlichen Interventionsmöglichkeiten auseinanderzusetzen, um die Wechselwirkungen von Ökonomie und Partnerschaftsgestaltung nicht nur kognitiv zu erarbeiten, sondern auch emotional zu erleben.
Jan Vogler, Journalist  und Kommunikationstrainer, Hamburg
Frank Heßmann, Unternehmensberater für gemeinnützige Organisationen, Berlin
Workshop 3: Beziehungen unter Männern
Der Workshop widmet sich der Entwicklung männlicher Identitäten im Kontext der biographisch erlebten und gelebten Beziehungen mit Männern. In der Gruppe wollen wir nach einer Kennenlernphase Erfahrungen in Form einer Erinnerungsreise austauschen, mit Mitteln von Gespräch und Aktion und uns dabei unter anderen folgende Fragen stellen:
Habe ich Männer im bisherigen Leben – durch ihre An- oder Abwesenheit – als prägend erlebt, mit welchen Folgen für heutige Beziehungen zu Männern, für mein eigenes Mann-Sein und für mögliche verinnerlichte Leitbilder von Männlichkeit?
Bernd Stude, Spielpädagoge, Agentur für Vatersuche, Berlin
Detlef Förster, Kulturwissenschaftler, Sozialarbeiter und Psychodramaleiter, Berlin
Workshop 4: Männlichkeitssozialisation und -erfahrung
Die Suche nach neuen Männlichkeitsbildern eröffnet einerseits historisch bisher beispiellose Möglichkeiten der Selbstorganisation, andererseits verstärkt sie den Wunsch nach Klarheit, Überschaubarkeit, Einfachheit. Entsprechende gesellschaftliche Angebote stehen hoch im Kurs. Die Befreiung von alten Zwängen und die Einrichtung neuer Abhängigkeiten können also Hand in Hand gehen. Wie können junge Männer darin unterstützt werden, sich selbst zu erfinden?
Wie können wir Männer uns selbst neu erfinden? Sie und wir brauchen entgegenkommende starke Entwicklungs- und Lernwelten! Im Workshop werden Chancen und Risiken einer nicht-hegemonialen Männlichkeitssozialisation erschlossen.
Prof. Dr. Harry Friebel, Universität Hamburg,
Olaf Stuve, Dissens e.V., Berlin
Klaus Schwerma, Bundesforum Männer, Berlin
13.30    Mittagspause
14.30    Marktplatz
Organisationen und Initiativen, politische Interessenvertreter_innen, wissenschaftliche Forschung, Verlage, Beratungseinrichtungen, Männergruppen, Selbsthilfegruppen und Initiativen stellen ihre Ideen und Angebote vor. Gelegenheit zum Austausch, Nachfragen, Vernetzen.
16.00    Machen Männlichkeiten einen Sinn?
Fishbowl-Diskussion zu persönlichen und politischen Schlussfolgerungen aus den Impulsreferaten und Workshops
17.30    Ende der Tagung

Ausstellung
Während der gesamten Tagung ist die Foto-Ausstellung er*Leben Fotografien des Männlichen von Alexander Bentheim, Hamburg, zu sehen.

Vorbereitungsgruppe:
Detlef Förster, Harry Friebel, Andreas Goosses, Günther Hahn, Frank Heßmann, P.-Max Röseke, Klaus Schwerma, Bernd Stude, Jan Vogler, Henning von Bargen